Threads hat das gleiche Problem. das Twitter aka X hat. (Foto: Pixabay)
Soziale Medien

Hat Threads ein Relevanzproblem?

Auf der (Daten-) Basis von Instagram hat Facenbook-Mutterkonzern Meta seine eigene Vorstellung von dem zusammen geklöppelt, was einst Twitter hieß und jetzt von Elon Musk als „X“ an die Wand gefahren wird. Der neue Dienst nennt sich Threads, ist schon irgendwie wie Twitter, dann aber auch wieder nicht oder eher mehr. Der Nutzer darf bis zu 500 Zeichen lange Texte senden, denen er auch Bilder, kurze Videos und Links beistellen kann. Und weil das Ganze an einen vorhandenen Instagram-Account geknüpft ist, hast Du als Nutzer gleich viele Kontakte. Vor allem aber startet Meta seinen neuen Dienst damit nicht bei Null sondern direkt mit einer im Prinzip gigantischen Nutzerbasis.

Es gibt Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und des Datenschutzes auf Threads. Die EU und Irlands Datenschutzbehörde haben bereits Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre geäußert, was zu Verzögerungen beim Start in Europa führte. Doch seit Dezember ist Threads jetzt auch in Europa und Deutschland verfügbar. Natürlich habe ich mich direkt angemeldet und Threads ausprobiert. Gefühlt haben alle deutschen Nutzer am Anfang die gleiche ersten Schritte gemacht:

  1. „Hallo, ich bin auch da…!“ oder etwas ähnlich belangloses gepostet
  2. Alice Weidel von der AfD blockiert
  3. Versucht, jemanden zu finden, den man kennt

Erst mal Alice Weidel blockieren

Das mit dem Blockieren von Alice Weidel ist nicht als Scherz gemeint. Diese blaue Eva Braun wurde mir doch wirklich wenige Minuten nach dem Beitritt zu Threads direkt in die Timeline gewürfelt und ich habe so direkt mal austesten können, wie man Nutzer blockiert. Und in der Tat schrieben viele andere Erstnutzer, dass es ihnen genau so gegangen ist. Aber am Anfang hofft man ja noch, das es besser wird…

Was die meisten auf Threads fast als erstes gemacht haben: Alice Weidel blockieren.
Was die meisten auf Threads fast als erstes gemacht haben: Alice Weidel blockieren.

Es brodelt die Suppe der Irrelevanz

… wird’s aber irgendwie nicht! Für mich stellte sich sehr schnell genau das ein, was mich auch an Twitter – ich meine natürlich an „X“ – schon sehr lange stört und warum ich X eben auch schon als es noch Twitter hieß quasi nicht mehr nutze. Es pladdert ein nicht enden wollender Schwall an völligen Belanglosigkeiten, inhaltlich leeren „Ich muss mal irgendwas posten“-Blödsinn, Propagandamüll, selbstdarstellerischen Egotrips von irgendwelchen Influencern und andere Müll auf einen ein. Die wenigen inhaltlich interessanten und brauchbaren Beiträge von Absendern, denen man auch folgt, ersaufen in einer schier endlosen Suppe aus Irrelevanz und einem schlicht und ergreifend als Schwachsinn zu betrachtenden „Text-Rauschen“.

In der App gibt es oben links den Punkt „Für dich“ und rechts daneben „Gefolgt“. Schauen wir uns doch mal eine Art „Best of“ von dem an, was Threads oder besser dessen Algorythmen da als geeignet betrachten, um es mir bei „Für dich“ zu präsentieren:

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All das, was mir da angeboten wird, interessiert mich nicht. Es ist irrelevant. Nutzlos. Denkt da wirklich ein Algorithmus, dass mich ein Video von einem unterernährten Möchtegern-Influencer-Model, das sich im schwarzen Spandex-Dress in einer Schneelandschaft räkelt interessiert? Nein. Will ich wissen, dass der Lover eines Mädels den Fetisch hat, sie anzufurzen? Nein!!! Oder dass ich zum hundersten Mal angezeigt bekommen will, was passiert, wenn man den „Share Button“ lange drückt? Nein. Oder irgendwelche Text-Stakato-Politpropaganda von Trump-Fans aus den USA? Abermals nein. Oder Post mit diesem lächerlichen „Folgst Du mir, dann folge ich dir“? Auch nicht. Und dann diese ganzen Bilderrätsel und Spaßbildchen, die einem schon auf Facebook oder Instagram so dermaßen auf die Nerven gehen.

Wenn all das und mehr durch die angeblich ach so intelligenten Algorithmen in meine Timeline gespült wird, dann darf ich wohl mit Fug und Recht an eben dieser behaupteten Intelligenz zweifeln. Und auch wenn ich Hunde mag, ich will keine süßen Hunde- oder Katzenbilder oder entsprechende Videos sehen. Immerhin eine Frage könnte einen bewegen: Was machen solche Leute, dass sie den ganzen Tag diesen Schwachsinn posten. Woher haben die die Zeit, dermaßen Zeit zu verschwenden. Ihre aber vor allem auch die Zeit anderer Nutzer. Und der Algorithmus muss diesen Stumpfsinn ja auch irgendwie belohnen. Mit Reichweite.

Threads hat ein Relevanzproblem!

Threads – und nicht nur Threads – hat in Meinen Augen in der Tat ein massives Relevanzproblem. Wie eben etwas zugespitzt beschrieben und an einem winzigen Ausschnitt an Beispielen gezeigt, ist die Menge der völlig nutzlosen und für mich uninteressanten Inhalte um ein vielfaches größer als die Dinge und Themen, die mich wirklich interessieren. Ich habe in Threads verschiedene in- und ausländische Medien abonniert, also ich folge diesen aktiv. Ab und zu sehe ich Meldungen dieser Quellen. Aber Threads spült mir eben einfach viel mehr Schrott in die Timeline als sinnstiftendes. Das „Bullshit-zu-Nützlich-Verhältnis“ liegt gefühlt bei 9 zu 1 oder 8 zu 1.

Spricht man mit anderen darüber kommen gerne Argumente wie „Hastags und Suchfunktion“. Aber warum muss ich mir die für mich werthaltigen Dinge aus der oben beschriebenen Suppe der Irrelevanz mühsam herausfischen? Warum gibt es keine intelligent-dynamische positive Filterliste, die nur die Inhalte und die Quellen durchlässt, die für mich relevant sind? Warum gibt es keine ebenso intelligent-dynamische negative Filterliste, über die ich Themen, Stichworte und so weiter „abwehren“ kann, die mich nicht interessieren? Sobald man ein Mitglied blockt, dessen Bullshit man nicht mehr sehen will, spült einem der Algorithmus fünf neue dieser Müll-Schleudern in die Timeline.

Es gibt zwar bei den Einstellungen unter „Threads und Antworten“ die Möglichkeiten, verschiedene Einstellungen – konkret „Gefällt mir“, „Antworten“, „Erwähnungen“, „Reposts“, „Zitate“ und „Erste Threads“ – jeweils auf „Von Personen, denen du folgst“ einzustellen. Aber das ändert nichts! Denn sobald ein neuer Nutzer seinen „Ersten Thread“, abgesondert hat, greift dieser Filter nicht mehr und die nächste Kelle Irrelevanz landes im digitalen Suppentopf. Es kommt daher dennoch immer wieder mehr von der Irrelevanz-Suppe auf den Tisch.

Und selbst wenn der Filter allumfassend funktioniert, dann würde man ja damit ausschließlich „auf Quelle“ filtern und bekäme dann nur noch von den Konten, denen man folgt Nachrichten, aber eben nicht mehr andere wirklich interessante Nachrichten aus „ungewollten“ Quellen. Eben weil dieser Filter ausschließlich Nutzerkonten filtert. Sprich, das wäre ein direkter Weg in eine enge Filterblase.

Nicht nur Threads hat ein Relevanzproblem

Das ist außerdem ein Problem, das man ja leider nicht nur bei Threads hat, sondern zum Beispiel auch auf Instagram oder Facebook und eben Twitter aka X. Nehmen wir die Facebook-Timeline. Auch dort spült der Facebook-Algorithmus viel irrelevantes auf das Display. Viele uninteressante Reels und Kurzvideos, Werbung und natürlich auch all das Belanglose, das viele auf Facebook absondern.

Warum beispielsweise glaubt Facebook, dass mich Küchendesign einer Firma aus den USA interessiert?
Warum beispielsweise glaubt Facebook, dass mich Küchendesign einer Firma aus den USA interessiert?

TikTok ist der einzige Social Media-Anbieter, dessen Algorithmen tatsächlich so intelligent und lernfähig sind, das Du als Nutzer schnell immer weniger digitalen Müll und mehr und mehr interessante Dinge in der App zu sehen bekommst. Natürlich ist auch da mal irrelevantes dabei, aber der TikTok Algorithmus schafft es deutlich besser, tatsächliche Interessen des Nutzers zu erkennen und zu beliefern.

Was ist an sozialen Medien denn noch sozial?

Und was bei vielen sozialen Netzwerken mittlerweile oft fehlt, ist das Soziale. Sprich der Diskurs, der Austausch, die Interaktion. Und das liegt an den meisten Nutzern. Denn viele, die auf Facebook, Threads und so weiter etwas posten, haben mittlerweile vorwiegend nur ein Ziel: „Hey! Click my shit!“. Sie wollen Reichweite für ihre Inhalte generieren. Es werden Links mit Teasern gepostet, um Traffic zu generieren. Oder es wird Werbung geschaltet, um dem Nutzer neues sinnloses Zeug anzudrehen. Aber echt Interaktion findet immer seltener statt. Und dort wo das doch noch passiert, nehmen wir Twitter als Beispiel, geschieht das in einer selbstzentrierten Filterblase.

Über Twitter lästert man ja nicht zu Unrecht, das Journbalistehn und Politiker dort unter sich sind. In dieser Blase konsumiert und verbreitet ein Nutzer hauptsächlich Inhalte, die seinen bereits bestehenden Meinungen und Interessen entsprechen. Und er redet auch nur mit den anderen Nutzern, die seine Meinungen und Überzeugungen bestätigen. Verstärkt wird das durch die Algorithmen, die Inhalte basierend auf früheren Interaktionen des Nutzers (wie Klicks, Likes und Suchverhalten) personalisieren. Man dreht sich um sich selbst, blickt im Kreis nach innen statt nach draußen.

Und so igeln sich immer mehr in einer solchen Filterblase ein, die eingeschränkte Sichtweise wird verstärkt. Die Nutzer werden weniger häufig mit abweichenden Meinungen oder neuen Informationen konfrontiert und wollen dies auch garnicht. Dies resultiert in einer Verstärkung von Vorurteilen und einer Polarisierung der Gesellschaft. All das erleben wir dann oft in auf Fakenews basierenden Debatten und Hetzkampagnen. Oder in Kommentaren der übelsten Sorte unter den Beiträgern von Meiden, die unter anderem ich dann als Online-Redakteur wegmoderieren darf. Was dort an Wut, Beleidgungen, Hetze, Häme und vor allem Fakenews und Propaganda zusammen kommt, macht wirklich keinen Spaß mehr, wenn man da den Ausputzer geben muss.

Kurz gesagt, Filterblasen begrenzen den Horizont und fördern die Entstehung von Echo-Kammern, in denen nur gleichgesinnte Ansichten widerhallen. Man könnte das als eine abgewandelte Form der Noelle-Neumann’schen Schweigespirale betrachten. Man dreht sich immer mehr um sich selbst und nimmt andere Meinungen und die tatsächliche Nachrichtenlage garnicht mehr wahr.

Ich bin studierter Journalist & Autor und außerdem auch in der Erwachsenenbildung tätig. Ich arbeite als Newsmanager & Online-Redakteur bei der VRM und bringe außerdem umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Print-Medien und des Blattmachens mit. Seit dem Studium schon schreibe ich im Bereich lokaler und regionaler Themen. Außerdem bin ich in fachlichen Themen unterwegs. Ich betreibe unter anderem das Blog energiewende-tipps.de und das Dänemark-Blog tante-hilde.info. Mehr über mich auf lerg.de.