Ulrik Haagerup (rechts) Foto: Wikipedia/Ernests Dinka, Saeimas Administrācija
Konstruktiv

Ulrik Haagerup schreibt einen „Augenöffner“

Sprechen wir über das Buch „Constructive News: Warum ‚bad news‘ die Medien zerstören und wie Journalisten mit einem völlig neuen Ansatz wieder Menschen berühren„. Es wurde von Ulrik Haagerup, einem erfahrenen Journalisten und Medienexperten, Gründer und auch aktueller Leiter des Institutes „Constructive Institute“ an der Universität von Aarhus in Dänemark, geschrieben. In diesem Buch setzt sich Haagerup sehr kritisch mit der bislang vorherrschenden Tendenz in den Medien auseinander, sich auf negative Nachrichten zu konzentrieren. Er argumentiert, dass diese Tendenz zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität führt und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Medien untergräbt.

Aktuelle und dauerhafte Krisen

Und mit dem Ukraine-Krieg und dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas in Gaza merken wir mehr denn je, dass diese Art der nachrichtlichen Berichterstattung über negative Ereignisse auch zur „News Fatigue“, einer Nachrichtenmüdigkeit führt. Die Menschen sind von negativen, schlechten Nachrichten übersättigt. Die Folge: Nachrichten werden immer häufiger gemieden. Auch das beschreibt Ulrik Haagerup in seinem Buch. Neben den akuten Krisen wie zunächst Corona, dann der Krieg in der Ukraine und jetzt der Israel-Konflikt gibt es ja „oben drauf“ noch die „dauerhaften“ Krisen. Allen voran ist hier der Klimawandel mit all seinen thematischen Abzweigungen und inhaltlichen Dimensionen zu nennen.

onstructive News: Warum "bad news" die Medien zerstören und wie Journalisten mit einem völlig neuen Ansatz wieder Menschen berühren
Constructive News: Warum „bad news“ die Medien zerstören und wie Journalisten mit einem völlig neuen Ansatz wieder Menschen berühren – von Ulrik Haagerup

Ulrik Haagerup schlägt den konstruktiven Journalismus als Lösungsansatz vor. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine ausgewogenere Berichterstattung zu fördern, die nicht nur Probleme und (negative) Istzustände aufzeigt, sondern auch Lösungen, Hoffnung und positive Entwicklungen in den Fokus rückt. Haagerup argumentiert, dass konstruktiver Journalismus das Potenzial hat, die Art und Weise, wie Nachrichten produziert und konsumiert werden, grundlegend zu verändern, indem er den Menschen hilft, sich informierter, ermächtigter und verbundener zu fühlen.

Ulrik Haagerup kritisiert Selbstzentriertheit im Journalismus

Ulrik Haagerup beschreibt seinen Weg zum konstruktiven Journalismus als eine Reaktion auf die Kultur innerhalb des Journalismus, in der Journalisten mehr an Anerkennung von anderen Journalisten interessiert waren als daran, der Gesellschaft zu dienen. Er beklagt, dass diese Herangehensweise dazu führte, dass die Welt schlechter dargestellt wurde, als sie tatsächlich ist. Die alten und abgedroschenen Paradigmen „If it bleeds, it leads“ und „bad news is good news“, die aber immer noch übliche Herangehensweise sind.

Haagerup betont, dass dies wiederum die öffentliche Wahrnehmung der Welt beeinflusst und zwar negativ. Haagerup argumentiert, dass das Fehlen von Vertrauen in den Journalismus auch demokratische Institutionen gefährdet und die Kluft zwischen Realität und öffentlicher Wahrnehmung der Realität täglich größer wird. Und in genau diese Lücke springen zudem auch Demagogen, um mit Fakenews ihre Agenda voranzutreiben. Donald Trump ist dafür ein ebenso trauriges wie gefährliches Paradebeispiel. 

Ulrik Haagerup beschreibt konstruktiven Journalismus als ein Korrektiv zur vorherrschenden Medienkultur, die sich bislang darauf konzentriert, Geschichten darüber zu erzählen, das und wie Dinge schlecht laufen. Er kritisiert die Tendenz der Medien, sich manchmal schon fast voyeuristisch auf Konflikte und Krisen zu konzentrieren und bemerkt, dass diese Art der Berichterstattung eine wachsende Lücke zwischen der Realität und ihrer Wahrnehmung durch das Publikum schafft. Haagerup betont dabei, dass konstruktiver Journalismus nicht einfack und platt nur „gute“ Nachrichten liefert, sondern vor allen Genauigkeit als eines seiner Schlüsselprinzipien betrachtet. Er strebt an, dass der öffentliche Diskurs sich auch mit der Zukunft befasst, was für die Politik von entscheidender Bedeutung ist.

Kernthese des konstruktiven Journalimus

Wollte man eine Kernthese des konstruktiven Journalimus formulieren, dann würde ich die folgende vorschlagen:

„Konstruktiver Journalismus strebt danach, ein ausgewogeneres und lösungsorientiertes Bild der Realität zu schaffen, um das Vertrauen in Medien wiederherzustellen und die Demokratie zu stärken.“

Und wenn man für den konstruktiven Journalismus, seine Intentionen und Methoden eine Liste von Leitlinien definieren will, dann möchte ich diese hier wie folgt anbieten:

  1. Ausgewogene Berichterstattung: Anstatt sich ausschließlich auf negative Ereignisse und den Status quo zu konzentrieren, strebt konstruktiver Journalismus danach, ein vollständigeres und ausgewogeneres Bild der Welt zu vermitteln.
  2. Lösungsorientierung: Um ein vollständigeres und ausgewogeneres Bild der Welt zu vermitteln, rückt dieser Ansatz die Bedeutung von Berichten über Lösungen und positive Entwicklungen in den Fokus anstatt der reinen Bericherstattung über Probleme und Konflikte.
  3. Förderung des öffentlichen Diskurses: Konstruktiver Journalismus zielt darauf ab, öffentliche Diskussionen anzuregen und einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung und zum gegenseitigen Verständnis zu leisten. Der öffentliche Diskurs ist für die Demokratie unverzichtbar. Journalismus muss dazu einen Beitrag leisten.
  4. Faktenbasiert und genau: Trotz des Fokus auf positive Aspekte bleibt konstruktiver Journalismus der Genauigkeit und Objektivität verpflichtet und basiert auf soliden Recherchen und Fakten.
  5. Engagement und Empathie: Konstruktiver Journalismus fördert das Engagement des Publikums und die Empathie, indem er Geschichten erzählt, die Resonanz finden und zum Handeln anregen, ohne dabei sensationsorientiert zu sein.

Augenöffner

Das Buch, zu dem übrigens Altkanzler Helmut Schmidt das Vorwort schrieb, wird oft und zu Recht als einflussreiches Werk betrachtet. Ein wichtiges Buch, das zur Diskussion über die Rolle und Verantwortung der Medien und des Journalismus in der modernen Gesellschaft beiträgt. Ich habe das Buch bereits 2015 gelesen und fand es sehr inspirierend. Es war für mich ein echter „Augenöffner“, ein Hinweis, in welche Richtung sich Journalismus entwickeln kann und sollte. Ich habe es inzwischen auch dem einen oder andere Berufskollegen geschenkt.

Und natürlich ist zu diesem Themenfeld des konstruktiven Journalismus seit 2015 so manches weitere, sehr gute und lesenswerte Buch dazu gekommen, dessen Lektüre ich gleichermaßen empfehle. Hier auf dieser Seite werde ich in Kürze eine Buchseite nachliefern, auf der ich diese Bücher jeweils kurz vorstellen werde.

Zur Person Ulrik Haagerup

Ulrik Haagerup ist eine prominente Figur im Journalismus, insbesondere bekannt für seine Arbeit im Bereich des konstruktiven Journalismus. Er ist der Gründer und CEO des Constructive Institute, einer unabhängigen Einrichtung, die sich der Förderung des konstruktiven Journalismus verschrieben hat. Das Institut, das sich an der Universität Aarhus in Dänemark befindet, unterstützt Journalisten und Nachrichtenorganisationen dabei, konstruktive Berichterstattung durch Best Practices, ein Fellowship-Programm, Berichterstattungsprojekte und unabhängige akademische Forschung anzuwenden​​.

Vor seiner Tätigkeit am Constructive Institute war Haagerup als Chefredakteur bei Nordjyske Medien tätig und hatte zuvor die Position des Chefredakteurs bei Jyllands-Posten, der größten Tageszeitung Dänemarks, inne. Seine journalistische Laufbahn zeichnet sich durch bedeutende Untersuchungen aus, darunter auch Arbeiten für die dänische Krebsgesellschaft und politische Parteien. Für seine investigativen Arbeiten erhielt er 1990 den Cavling-Preis, das dänische Äquivalent des amerikanischen Pulitzer-Preises. Haagerup ist auch als Berater für das European Journalism Center tätig und war 1992 ein Knight Journalism Fellow an der Stanford University​​.

Sein Engagement für den konstruktiven Journalismus spiegelt seine Überzeugung wider, dass Journalismus zur Förderung der Demokratie beitragen und eine ausgewogenere, lösungsorientierte Berichterstattung bieten sollte, die die Gesellschaft verbindet.

Ich bin studierter Journalist & Autor und außerdem auch in der Erwachsenenbildung tätig. Ich arbeite als Newsmanager & Online-Redakteur bei der VRM und bringe außerdem umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Print-Medien und des Blattmachens mit. Seit dem Studium schon schreibe ich im Bereich lokaler und regionaler Themen. Außerdem bin ich in fachlichen Themen unterwegs. Ich betreibe unter anderem das Blog energiewende-tipps.de und das Dänemark-Blog tante-hilde.info. Mehr über mich auf lerg.de.